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Neringa Daukšienė

Abstract

Die im EG-Vertrag und auf seiner grundlage erlassenen Verordnungen geregelte Freizügigkeit der Arbeitnehmer zählt zu den wichtigsten Grundfreiheiten der Unionsbürger; sie gewährleistet die Gleichbehandlung von Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten in Bezug auf Arbeitsbedingungen generell unzulässig. Diese weitgefaßte Gleichbehandlungspflicht wird durch die Ausnahmebestimmung des Art. 39 Abs. 4 EGV eingeschränkt, derzufolge die Freizügigkeit der Arbeitnehmer „keine Anwendung auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung“ findet.
Die schon seit mehreren Jahrzehnten, nicht zuletzt aus dem Umfeld der Europäischen Kommission, geäußerte Kritik an der Antiquiertheit der Klausel hat daher keinen hinreichenden politischen Widerhalt gefunden. So ist zum Beispiel Art. 39 Abs. 4 EGV in der Kommentarliteratur als Ausdruck eines kaum erklärbaren Misstrauens gegenüber dem Fremdem, als Ausdruck eines nationalstaatlichen Denkens bezeichnet worden, das mit der Französischen Revoliution eingesetzt habe.
Es liegt auf der Hand, dass die Diskussion über die Funktion der Staatsangehörigkeit und die Souveränität der Mitgliedstaaten auch die Diskussion über die Reichweite des Vorbehalts des Art. 39 Abs. 4 EGV entscheidend beeinflusst.
Die Auslegung der in Art. 39 Abs. 4 EGV enthaltenen Bereichsausnahme gehört zu den dogmatisch und rechtspolitisch am heftigsten umstrittenen Fragen des Europarechts. Dabei konzentriert sich die Diskussion auf den Begriff der öffentlichen Verwaltung, der als Ausnahme von der Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Zulassung von EU–Ausländer zum öffentlichen Dienst bedeutsam ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH sind vom Anwendungsbereich der Freizügigkeit nur solche Stellen ausgenommen, die eine mittelbare oder unmittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und eine Wahrnehmung solcher Aufgaben mit sich bringt, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind und die deshalb ein Verhältnis besonderer Verbundenheit des jeweiligen Stelleninhabers zum Staat, sowie die Gegenseitigkeit von Rechten und Pflichten voraussetzen, die dem Staatsangehörigkeitsband zugrunde liegt. Über die Bedeutung dieser Formulierung rätselt die Literatur nunmehr schon geraume Zeit. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass weder der Begriff hoheitliche Befugnisse noch derjenige der Wahrung der allgemeinen Belange des Staates vom EuGH hinreichend klar definiert worden sind. Unklar ist auch, ob es sich um kumulative oder um alternative Voraussetzungen handelt. Der EuGH scheint die Formel einmal kumulativ, zum anderen alternativ zu verwenden.
Die Auslegung der Begriffe erschließt sich somit letzlich aus dem Überblick über die EuGH–Rechtsprechung ingesamt. Danach steht zunächst fest, dass grundsätzlich aufgrund einer funktionellen Betrachtungsweise der einzelnen Stelle zu ermitteln ist, ob sie als „typisch“ öffentliche Verwaltung, als „Verwaltung im eigentlichen Sinne“, vom Anwendugsbereich der Freizügigkeit ausgenommen ist. Schon früh hat der EuGH dabei festgesellt, dass es sich um gemeinschaftsrechtliche Begriffe handelt, die ohne Rücksicht auf mitgliedstaatliche Verwaltungsstrukturen auszulegen sind.
In der Literatur ist die Rechtssprechung des EuGH als Grundlage zur Auslegung der Bereichausnahme weitgehend anerkannt worden. Dies gilt inbesondere für das Erfordernis einer gemeinschaftsautonomen und funktionellen Auslegung. Akzeptiert wurden auch beide Auslegungskriterien des EuGH („unmittelbaren oder mittelbaren Teilhabe an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse“; „die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates“).
Ziel der vorliegenden Arbeit ist den Begriff der „Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung“ zu definieren, besonders den Gehalt der Auslegungskriterien des EuGH zu erschliessen. Unklar ist der Gehalt der Auslegungsformel des EuGH. Denn bereits der Begriff der „hoheitlichen Befugnisse“ ist nicht so eindeutig, dass er keiner weiteren Erläuterung mehr bedarf. Ebenso ist klarungsbedürftig, wann eine Teilnahme bzw. Mittelbare Teilnahme an der Ausübung dieser Befugnisse vorliegt. Welche Tätigkeiten dienen der Wahrung allgemeiner Staatsbelange? Die Unklarheite über den Prüfungsmasstab des EuGH lassen sich folglich nicht auf die zumeist problematissierte Frage der kumulativen oder alternativen Auslegung der Bereichsausnahme reduzieren.

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