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Jörg Kinzig

Abstract

Der litauische Entwurf eines neuen Strafgesetzbuches unterscheidet sich vom deutschen Recht grundlegend dadurch, daß er nicht dessen strenge Schuldbindung aufweist. Aus dem Schuldgrundsatz ergibt sich nach deutschem Verständnis einmal, daß, wer ohne Schuld handelt, nicht bestraft werden kann, zum anderen, daß die Strafe auch das Maß der Schuld nicht überschreiten darf [34]. Diese mangelnde Schuldbindung ermöglicht im litauischen Entwurf die ganz erheblichen Verschärfungen gegenüber Rückfalltätern auf verschiedenen Ebenen des Rechts. Sie reichen von den Schärfungen bei der Strafzumessung (Art. 51 Abs. 2 S 1, 53 litEStGB) über Einschränkungen bei der Strafrestaussetzung (Art. 68 Abs. 4 Nr. 1a litEStGB) bis zu einer besonderen Unterbringung im Strafvollzug (Art. 45 Abs. 5 litEStGB) [35]. Sie bergen die Gefahr der Maßlosigkeit und die rechtsstaatlich bedenkliche Möglichkeit, daß auf einen kleineren Normbruch nur wegen der Vorbelastung des Angeklagten mit überzogenen Strafen reagiert wird [36].
Im Gegensatz zum deutschen Recht werden im litauischen Entwurf die Zwecke der Strafe genannt. Dabei wird mit dem Sicherungsgedanken ein Gesichtspunkt hervorgehoben, der im deutschen Recht seinen Platz bei den Maßregeln der Besserung und Sicherung findet. Als Strafzweck nicht genannt wird die positive Generalprävention. Die Antinomie der beschriebenen Strafzwecke wird nicht aufgelöst, so daß es ratsam erscheint, auf die gesamte Vorschrift zu verzichten.
Die im litauischen Entwurf vorgesehenen Hauptstrafen Geldstrafe, Freiheitsstrafe und gemeinnützige Arbeit sind international durchaus geläufig. Zu begrüßen ist insbesondere die vorgesehene Abschaffung der Todesstrafe. Die Notwendigkeit, Arrest als vierte Hauptstrafe aufzunehmen, leuchtet nicht ein. Begrüßenswert wäre eher die Aufnahme von Vorschriften, die der Zurückdrängung der kurzen Freiheitsstrafe dienen.
Die Bestimmungen über die Strafzumessung erscheinen überaus kasuistisch, zum anderen auch unübersichtlich. Die detaillierte Regelung erklärt sich offensichtlich aus dem Bedürfnis, einer derzeit vorhandenen mißbräuchlichen Rechtsanwendung durch die Justiz bzw. der Bestechlichkeit von Richtern entgegenzuwirken [37]. Nicht bedenkenfrei sind ebenfalls die projektierten Vorschriften über die Strafaussetzung bzw. Strafrestaussetzung zur Bewährung. Die Maßnahme der Unterbringung zur sozialen Angewöhnung sollte in der vorgesehenen Form nicht eingeführt werden.

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